Surrealistisches Destillat einer Phantasmagorie
Sie sind erfüllt von ätherischer Mystik, erratischer Aura, die Bilderwelten des Helfried Valenta. Surreal, bizarr und irreal. Betrachtet man die pittoreske Fotoserie über den Wiener Prater in dem schmalen, aber äusserst sorgsam editierten Bildband, begegnet man einer fantastischen, wenngleich auch gespenstischen Szenerie. Hinter den vordergründig malerischen Fassaden dekuvriert der 1964 geborene, in Wien lebende Fotograf Abgründiges und Tiefgründiges - vor seltsam kupfern glänzendem Hintergrund. Gerade die ungewohnte Menschenleere ortet und verortet das Artifizielle und nur scheinbar Amüsante des grotesken Paralelluniversums der Unterhaltungsindustrie.
Das Œuvre Valentas zitiert gekonnt legendäre Fotoserien von Franz Hubmann über den Wurstelprater - akkordiert waren diese kongenial mit Texten von Helmut Qualtinger - und evoziert Erinnerungen an das Werk des viel zu früh verstorbenen Malers und Grafikers Franz Zadrazil. Als Meister des Fotorealismus hatte er es perfekt verstanden, subversiv Wiederhaken in reale Fassaden einzubauen. Eine relativ unbekannte Werkserie über den verfallenden New Yorker Vergnügungspark auf Coney Island trägt frappierende Ähnlichkeiten zu Valentas Wiener Nachtaufnahmen. Der Charme désolé, der den durch extreme Langzeitbelichtung überhaupt erst entstandenen Fotos anhaftet , fasziniert. Man ist versucht, angesichts der fototechnischen Möglichkeiten des digitalen Zeitalters Täuschungen zu suchen.
Indes entsteht die exzentrische Wirkung nur auf Grund des enorm langen Blickes auf die Essenz der Dinge. Katzen oder Fledermäuse könnten derart nächtliches Treiben sehen. Vielleicht Vampiere Zombies und Teufel, die visuell den Bildern entsteigen und virtuell zum Leben erweckt werden. Die uralten Geister- und Achterbahnen, Kalafatis, geschlossene Spiegelkabinette und Schiessbuden treiben ihr seltsames Spiel mit der subjektiven Wahrnehmung. Selbst das billige Las-Vegas-Imitat der städtisch jüngst verordneten Verschlimmbesserung irritiert hier, soweit nicht dankenswerter weise ausgespart, nicht sehr. Es nähme nicht wunder, würde Norman Bates alias Anthony Perkins, aber auch Figuren aus den Gehirnen Cronenbergs oder David Lynchs plötzlich auftauchen und sich als Reiseführer durch die Unter-, pardon, die Zauberwelt anbieten. Bon voyage!
Mit freundlicher Genehmigung des Autors, Gregor Auenhammer, Der Standard, 5. Mai, 2012